Kracher-EuGH-Urteil: Tausende Euro sparen – Fast alle Kreditverträge (Immobilien, Auto, Leasing) widerrufen

Wenn selbst renommierte Anwälte von einem absoluten Kracher-Urteil sprechen und sagen, dass sie so etwas noch nie erlebt hätten, dann muss da ja wohl was dran sein: Laut einem Urteil des europäischen Gerichtshofs vom 26.03.2020 verstößt nämlich die Widerrufsbelehrung, die in einem Großteil der in Deutschland seit Juni 2010 vermittelten Darlehensverträgen zu finden ist, gegen eine europäische Richtlinie. Somit können bis zu 20 Millionen Autokredit- und Leasing-Verträge sowie Immobiliendarlehen einfach widerrufen werden.

Wichtig Warum ist das spannend? Weil alte Kredite mit hohen Zinsen so günstig zu neuen Krediten umgeschuldet werden können – die Ersparnis liegt oft bei Tausenden Euro!

Tipp Lange Rede kurzer Sinn: Schaut in euren Darlehensvertrag unter dem Punkt Widerrufsrecht nach, ob dort der § 492 Absatz 2 BGB auftaucht. Ist dies der Fall, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ihr euren Vertrag widerrufen könnt!

Was sagt der Europäische Gerichtshof?

Im konkreten Fall, der zu dem Urteil führte, ging es um einen Immobilienkredit zwischen einem Verbraucher und der Kreissparkasse Saarlouis. Dieser wurde 2012 abgeschlossen, jedoch erst Anfang 2016 vom Verbraucher widerrufen. Normalerweise beginnt die bei Kreditverträgen üblicherweise 14-tägige Widerrufsfrist mit Unterzeichnung des Vertrags und dem Erhalt aller Vertragsinformationen inklusive der Widerrufsbelehrung. Der Vertrag und die Informationen müssen laut einer EU-Richtlinie vom 11. Juni 2010 ein hohes Maß an Sicherheit und Transparenz aufweisen, also für Verbraucher relativ leicht verständlich sein.

Eine_Sitzung_des_Gerichtshofs

Der Verbraucher war nun 2016 der Meinung nicht verständlich über sein Widerrufsrecht informiert worden zu sein und das Landgericht Saarbrücken legte den Fall daraufhin dem EuGH vor. Dieser stimmte jetzt für den Verbraucher, da in der Widerrufsbelehrung des Kredits ein sogenannter Kaskadenverweis genutzt wurde. Konkret heißt es im Vertrag:

„Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (…) erhalten hat.“

Dieser Absatz verweist dann aber wiederum auf andere Paragraphen, welche auch wieder auf andere verweisen. Als Verbraucher müsste man mehrere Seiten Gesetzestext lesen und verstehen, um herauszufinden, wann die Widerrufsfrist beginnt. Somit ist die EU-Richtlinie nicht erfüllt und somit hat der Verbraucher ein „ewiges Widerrufsrecht„. Hier das Urteil zum Nachlesen.

Welche Verträge kann ich widerrufen?

Da der entscheidende Satz einen Verweis auf den § 492 Absatz 2 BGB enthält, sind theoretisch alle Kreditverträge, die diesen Verweis in dem Abschnitt „Widerrufsrecht“ haben betroffen und könnten auch noch Jahre nach Abschluss widerrufen werden – und das sind sehr viele.

Bürgerliches Gesetzbuch

Denn der oben zitierte Satz und damit auch der bemängelte Kaskadenverweis war Teil von amtlichen Mustertexten für Widerrufsbelehrung von privaten Krediten im Zeitraum von Juni 2010 bis März 2016. Und da die Banken oft etwas vom gesetzlichen Mustertext abgewichen sind, können sie sich vermutlich auch nicht auf den sogenannten Musterschutz berufen.

Baufinanzierungen & Immobilienkredite

Die besagte Klausel mit dem Verweis auf § 492 Absatz 2 BGB findet sich vor allem auch in Immobiliendarlehenwelche zwischen dem 11. Juni 2010 und dem 20. März 2016 geschlossen wurden. Da viele den Mustertext (mit Abweichungen) nutzten, sind nahezu alle Banken betroffen: Volksbanken, Sparda-Banken, Sparkassen, ING, die Deutsche Bank und viele mehr. Somit schätzt die Rechtsanwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke die betroffenen Darlehenssummen auf insgesamt rund 1,2 Billionen Euro.

Planung und Finanzierung eines Hauses

Auto-Leasing und Kfz-Kredite/-Finanzierungen

Bei Kredit- oder Leasingverträgen für Autos sieht es sogar noch besser auch als bei Immobilienkrediten. Bei Leasingverträgen gibt es nicht einmal ein gesetzliches Muster und bei Krediten hat die Bank oftmals Versicherungen mit verkauft, sodass man stark vom Muster abwich. Somit könnte sich die Bank nicht auf einen möglichen Musterschutz berufen.

Auto-Leasing

Des Weiteren wird die Klausel mit § 492 Absatz 2 BGB seit Juni 2010 bis heute in vielen Auto- und Leasingverträgen genutzt. Es können also auch Verträge von Juni 2010 bis heute betroffen sein. Die Kanzlei WBS schätzt hier, dass potenziell fast 20 Millionen Autokredit- und Leasing-Verträge betroffen sind mit einem Gesamtvolumen von rund 340 Milliarden Euro.

Warum sollte ich unbedingt reagieren?

Ganz einfach: Es geht um viel Geld! Wer einen teuren Immobilienkredit mit z.B. 3,6% Zinsen mit besagter Klausel hat, könnte diesen nun widerrufen (also den hoch verzinsten alten Kredit ablösen) und auf einen aktuellen und wesentlichen günstigeren Kredit mit z.B. nur 0,8% Zinsen umschulden und somit tausende Euro an Zinsen sparen.

Leasing- oder Autokredite können dank des „Widerrufsjokers“ ebenfalls widerrufen und damit beendet werden. Dann würde man als Verbraucher alle bisherigen Zahlungen zurückerhalten, muss aber auch das Auto an die Bank zurückgeben. Somit wäre man fast kostenlos Auto gefahren.

Wichtig Das Ergebnis: Die Rückabwicklung des Vertrages, als hätte er nie bestanden. Geleistete Raten und Anzahlungen erhaltet ihr einfach zurück. Folgende Rechtsfolgen sind dann möglich:

  1. Ihr gebt das Auto zurück.
  2. Die Bank muss alle Tilgungszahlungen (also alle Raten abzüglich Zinsen), zurückzuzahlen. Zinsen bleiben bei der Bank.
  3. Vermutlich müsst ihr nicht einmal Nutzungsersatz für die Verwendung des Autos zahlen.
  4. Ihr erhaltet vermutlich sogar noch Zinsen auf eure Raten.

Lange Rede kurzer Sinn: Ihr seid bestenfalls jahrelang fast kostenlos Auto gefahren und könnt mit dem zurückerstatteten Geld ein neues kaufen/leasen

Geld_sparen

In beiden Fällen müsste man nicht einmal eine Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank zahlen. Hat man also die entsprechende Klausel mit dem Verweis auf § 492 Absatz 2 BGB in seinem Vertrag, stehen die Chancen auf einen erfolgreichen Widerruf recht gut. Man sollte sich aber trotzdem vorher beraten lassen und nicht einfach blind seinen Kreditvertrag widerrufen, denn jeder Vertrag ist hier individuell zu betrachten.

Wer kann mir helfen?

Mit dem unten stehenden Formular könnt ihr euren Vertrag unkompliziert und kostenfrei anwaltlich prüfen lassen. Ihr werdet nach Absenden von der Anwaltskanzlei von Christian Solmecke kontaktiert und darüber unterrichtet, ob ein Widerruf für euch in Frage kommt. Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, kennt ihr bestimmt aus Funk und Fernsehen.

christian solmecke rechtsanwalt bekannt aus

Die Chancen stehen gut: Es kann vermutlich fast jeder Vertrag (Kreditvertrag, Immobilienkredit, Autokredit oder sogar beispielsweise ein Kredit für Laptop und TV) mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung, der nach dem 01.08.2010 geschlossen wurde, widerrufen werden.

christian solmecke rechtsanwalt
Meine Empfehlung ist daher: Schaut selber nach der Klausel und lasst dann den Vertrag prüfen, bevor ihr vorschnell handelt. Was sagt ihr zu dem Urteil? Habt ihr Chancen auf einen Widerruf?

JohnInAustralia

07.06.2020, 02:19
Antworten #

hat es irgend jemand ausprobiert?

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